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Bürgerbeteiligung von A – Z

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Begriffe, Methoden und Verfahren von A bis Z

 

A

Losverfahren wurden bereits im alten Griechenland verwendet, um politische Ämter zu besetzen. Heutzutage wird oft auf die Zufallsauswahl zurückgegriffen, wenn es um die Auswahl von Bürgerinnen und Bürgern für die Teilnahme an einem Bürgerrat geht.

Aufsuchendes Losverfahren

Beim »aufsuchenden Verfahren« werden diejenigen Menschen, die sich auf die schriftliche Einladung nicht zurückgemeldet haben, persönlich aufgesucht.

Schritt 1: Zunächst wird eine repräsentative Stichprobe erstellt, die allerdings nur so groß ist, wie die Anzahl der avisierten Teilnehmenden. Sollte es Absagen geben, wird nachgelost. An die gelosten Bürgerinnen und Bürger werden Einladungsschreiben mit Informationen zum Bürgerrat und der Bitte verschickt, sich bei Interesse an einer Teilnahme zurückzumelden.

Schritt 2: Menschen, die sich auf die schriftliche Einladung nicht zurückmelden, werden persönlich kontaktiert und zur Teilnahme motiviert bzw. ermutigt. Zusätzlich zum aufsuchenden Losverfahren können unterrepräsentierte Gruppen direkt aufgesucht werden (z.B. Obdachlose, Menschen mit Behinderung).

Vorteile Nachteile
  • Die Rückmeldequote kann erhöht und somit die Stichprobe der Zufallsauswahl reduziert werden.
  • hoher Personalaufwand
  • Datensparsamere Variante des Losverfahrens, da weniger Personen eingeladen werden und nur bei Absagen nachgelost wird
  • datenschutzrechliche Bedenken
  • Auch wenn durch das »Aufsuchen« keine Zusage erreicht wird, kann wichtiges Wissen über die Gründe zur Nicht-Teilnahme generiert werden und in die Verbesserung zukünftiger Beteiligungsverfahren einfließen.

 

Die Verankerung des »aufsuchenden Verfahrens« in der Beteiligungssatzung einer Gemeinde oder einer entsprechenden Projektsatzung ist anzuraten.

Bei der aktivierenden Befragung werden die Menschen in einer Gemeinde zu einem bestimmten Thema befragt und gleichzeitig dazu ermutigt, sich selbst aktiv für die adressierten Bedürfnisse und Wünsche einzusetzen. Die Befragungen können bei den Menschen zu Hause oder auch im öffentlichen Raum stattfinden.

B

Bei Beteiligungsverfahren ist es besonders wichtig, dass alle gesellschaftlichen Gruppen in den Diskurs und den Entscheidungsprozess eingebunden werden (breite Beteiligung). Dabei gibt es vielfältige Hürden zu überspringen, Schwellen zu senken und Barrieren zu überwinden. Der Fokus sollte speziell darauf liegen, dass Gruppen, die sich tendenziell eher wenig in informelle Beteiligungsverfahren einbringen, besser anzusprechen und einzubinden. Beispielhaft sind hierfür  Menschen mit Behinderung, aber auch sozial benachteiligte Gruppen, Migrantinnen und Migranten oder Menschen mit zeitlichen Einschränkungen wie etwa Alleinerziehende.

Notwendigkeit

Die Relevanz von barrierefreier Bürgerbeteiligung begründet sich zum Einen aus den gegebenen rechtlichen Anforderung, Beispiel UN-Menschenrechtskonvention, Art 21: »Jeder hat das Recht, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter mitzuwirken.« Gleichzeitig entfaltet Bürgerbeteiligung erst dann ihre Kraft, wenn die Formate möglichst divers angeboten und von möglichst allen Bevölkerungsgruppen in Anspruch genommen werden.

Mögliche Maßnahmen zur Unterstüzung einer breiten Beteiligung

  • Barrierefreie Räumlichkeiten
  • Dokumente werden zusätzlich in Leichter Sprache verfasst
  • Abstimmungen werden durch den Einsatz von Assistenzkräften unterstützt werden
  • Genügend Pausen während der Veranstaltungen
  • Erstattung von Fahrtkosten (auf Anfrage)
  • Bei Bedarf: Übernahme von Betreuungsaufgaben oder Erstattung von Betreuungskosten (Kinder, Plegebedürftige)
  • Bei Bedarf: Gebärdensprach-Verdolmetschung

Jedes Beteiligungsverfahren benötigt verlässliche Regeln, die von allen Beteiligten akzeptiert und beachtet werden. Damit diese Regeln nicht bei jedem Verfahren neu verhandelt werden müssen, können qualitative und prozessuale Standards für Beteiligungsverfahren entwickelt werden. Dies kann unter anderem durch eine rechtliche verbindliche Satzung erfolgen.

Eine Satzung

  • ist eine Rechtsnorm mit verbindlicher Außenwirkung
  • wird von der Gemeindevertretung erlassen
  • ist von allen beteiligten Akteurinnen und Akteuren zu beachten
  • darf nur das regeln, wofür die Kommunalgesetze den Gemeinden einen Ausgestaltungsspielraum belassen

Weitere Informationen

Damit möglichst alle Interessen in einer Gesellschaft in politischen Entscheidungsprozesse einfließen können, braucht es eine breite Beteiligung. Breit meint in diesem Zusammenhang nicht die Anzahl derer, sie sich beteiligen. Vielmehr ist damit die Vielfalt der Interessen, Meinungen und Ideen gemeint, die in einem Beteiligungsprozess abgebildet werden sollten. In einem breiten Beteiligungsprozess sollten demnach alle Interessensgruppen angehört werden, die von der Entscheidung, um die es geht, betroffen sind. 

siehe auch: Barrierefreie Bürgerbeteiligung

Weiterführende Information zur breiten Bürgerbeteiligung

Im Rahmen eines Bürgerhaushalts unterbreiten Bürgerinnen und Bürger der Politik und Verwaltung Vorschläge, wofür diese das Geld in einer Gemeinde einsetzen sollen, aber auch, wo es eventuelle Einsparpotentiale und neue Einnahmequellen gibt.

Weitere Informationen zu Verfahren und Ablauf

Ein Bürgerbudget ist ein Finanztopf in einer bestimmten Höhe, über dessen Verwendung nicht der Gemeinde- oder Stadtrat, sondern die Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde bestimmen dürfen.

Weitere Informationen zu Verfahren und Ablauf

Mittels eines Bürgerrats können Politik, Verwaltung und die Bürgerinnen und Bürger eines Landes oder einer Gemeinde bei der Lösung wichtiger Zukunftsfragen zusammenarbeiten. Die Teilnehmenden erarbeiten im Rahmen mehrerer Sitzungen Empfehlungen zu einem bestimmten Thema und stellen diese der Politik zur Verfügung. Die demokratisch legitimierten Entscheidungsträgerinnen und -träger in Parlamenten, Stadt- und Gemeinderäten oder der Verwaltung beraten über die gemachten Empfehlungen und geben der Bevölkerung eine Rückmeldung über deren Verwendung.

Weitere Informationen zu Verfahren und Ablauf

D

In einer direkten Demokratie stimmt die stimmberechtigte Bevölkerung direkt über politische Sachfragen ab, d. h. Entscheidungen werden direkt vom Volk getroffen.

Als Verfahren der direkten Demokratie werden einzelne politische Entscheidungsverfahren bezeichnet, bei denen die stimmberechtigte Bevölkerung direkt über Sachfragen abstimmt, in einer ansonsten repräsentativen Demokratie. In Deutschland zählen zu diesen Verfahren etwa Volksbegehren/-entscheide und Bürgerbegehren/-entscheide, aber auch Einwohnerversammlungen sowie gesetzlich verankerte Verfahren der formellen Bürgerbeteiligung.

Weiterführende Informationen

Der Begriff deliberativ bedeutet übersetzt aus dem Lateinischen: beratend, abwägend. Die deliberative Demokratie stellt die öffentliche Beratung, die Teilhabe der Bevölkerung an öffentlichen Diskursen und deren Einbindung in gesellschaftliche Entscheidungsprozesse in den Mittelpunkt.

Das repräsentative Entscheidungssystem der Bundesrepublik Deutschland kann durch deliberative Ansätze erweitern werden, indem die Bürgerinnen und Bürger über die Wahlen hinaus stärker in politische Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse eingebunden werden. Durch deliberative Ansätze und Methoden, wie etwa dem direkten Austausch zwischen Bürger/innen und politischen Entscheidungstragenden, können politische Entscheidungen verbessert und das Vertrauen der Bevölkerung in das demokratische System gestärkt werden.

E

Mithilfe der E-Demokratie können Bürgerinnen und Bürger politische Entscheidungen mitgestalten, etwa durch die elektronische Stimmabgabe bei Wahlen oder die aktive Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen im Rahmen der Online-Bürgerbeteiligung.

Weiterführende Informationen

Im Rahmen einer Einwohnerversammlung (oder auch Bürgerversammlung) werden die Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde über wichtige Entscheidungen informiert. Ebenso besteht die Möglichkeit, öffentliche Diskurse während einer Einwohnerversammlung  abzuhalten.

Die Einwohnerversammlungen sind in den Gemeindeordnungen der deutschen Bundesländer rechtlich geregelt. In der Sächsischen Gemeindeordnung heißt es dazu in § 22 Einwohnerversammlung: "Allgemein bedeutsame Gemeindeangelegenheiten sollen mit den Einwohnern erörtert werden. Zu diesem Zweck soll der Gemeinderat mindestens zweimal im Jahr eine Einwohnerversammlung anberaumen." Ebenso sind Einwohnerversammlung anzuberaumen, wenn dies von den Einwohnern beantragt wird. Die Einwohnerversammlung ist damit ein Instrument der formellen Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene.

Die E-Partizipation umfasst alle internetbasierten Möglichkeiten der politischen Partizipation. Sie ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, sich über die reine Information hinaus, auch aktiv in politische Entscheidungsprozesse einzubringen und die Demokratie mitzugestalten. E-Partizipation kann zeitlich und örtlich ungebunden stattfinden und viele Menschen erreichen. So kann Kommunikation und Austausch zwischen Politik und Bürgern und Bürgerinnen, aber ebenso der Austausch zwischen den Bürgern und Bürgerinnen, ermöglicht werden.

Weiterführende Informationen

F

In Deutschland gibt es zwei Arten oder Formen der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger:

  • formelle Beteiligung
  • informelle Beteiligung

Unter formeller Beteiligung versteht man gesetzlich verankerte Verfahren, bspw. Einwohnerversammlungen, Beteiligung im Rahmen der Bauleitplanung, Landes- und Regionalplanung, Raumordnungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Unter informeller Beteiligung versteht man dialogorientierte und beratende Verfahren zur Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürger in politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse, wie bspw. BürgerräteBürgerbudgets oder die Erstellung von Leitlinien für Bürgerbeteiligung. Diese Verfahren sind nicht gesetzlich geregelt.

Weitere Informationen

 

Die Förderrichtlinie Bürgerbeteiligung bietet finanzielle Unterstützung für Bürgerbeteiligung und greift damit den weitverbreiteten Wunsch der Bürgerschaft nach mehr Beteiligungsmöglichkeiten auf. Ob Bürgerwerkstätten, Nachbarschaftsgespräche oder Zukunftskonferenzen - sowohl Kommunen als auch zivilgesellschaftliche Träger können im Rahmen des Förderprogramms finanzielle Unterstützung für die Planung und Durchführung regionaler Beteiligungsformate, die der politischen Willensbildung dienen, beantragen.

Weitere Informationen zur Förderrichtlinie.

Die Förderrichtlinie auf REVOSax.

 

G

Die Methode der Zufallsauswahl (auch: Losverfahren) wurde bereits im alten Griechenland verwendet, um politische Ämter zu besetzen. Heutzutage wird oft auf die Zufallsauswahl zurückgegriffen, wenn es um die Auswahl von Bürgerinnen und Bürgern für die Teilnahme an einem Bürgerrat geht.

Gestaffelte Zufallsauswahl

Bei der gestaffelten Zufallsauswahl (auch: geschichtetes Verfahren) werden die Mitglieder eines Bürgerrats nach zwei Kriterien ausgewählt: einerseits nach dem Prinzip der Zufallsauswahl und andererseits nach dem Prinzip der repräsentativen Zusammensetzung.

Schritt 1: Zunächst wird eine repräsentative Stichprobe erstellt. An alle diese Bürgerinnen und Bürger werden Einladungsschreiben mit Informationen zum Bürgerrat und der Bitte verschickt, sich bei Interesse an einer Teilnahme zurückzumelden. Da die Rückmeldequote mit durchschnittlich rund 10 Prozent recht gering ist, muss die Stichprobe hinreichend groß sein.

Schritt 2: Damit die Verteilung soziodemografischer Merkmale im Bürgerrat möglichst genau der Verteilung in der Gemeinde oder dem Land entspricht, in der bzw. dem der Bürgerrat stattfinden soll, werden aus den Rückmeldungen per Zufallsverfahren etwa 15 (Gemeinde) bis 100 (bundesweiter Bürgerrat) Personen und einige Nachrückerinnen und Nachrücker zusammengestellt, die einen möglichst repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Merkmale, die oft bei der repräsentativen Auswahl berücksichtigt werden sind: Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, die Größe des Wohnorts und Migrationsgeschichte.

Das Zufallsverfahren (Schritt 1) soll sicherstellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger ab einem bestimmten Alter ausgelost werden können und damit die theoretische Möglichkeit zur Teilnahme haben. Durch die repräsentative Zusammensetzung des Bürgerrats (Schritt 2) entsteht quasi eine Gemeinde bzw. ein Deutschland im Miniaturformat.

Vorteile Nachteile
  • geringer Personalaufwand
  • Rückmeldequote sehr gering

 

  • Stichprobe muss unverhältnismässig groß sein

 

  • datenschutzrechliche Bedenken

Die Verankerung der »gestaffelten Zufallsauswahl« in der Beteiligungssatzung einer Gemeinde oder einer entsprechenden Projektsatzung ist anzuraten.

Durch Bürgerbeteiligung soll das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie gestärkt, aber auch die Verantwortung der Menschen für ihre Stadt, ihre Region und ihr Land geweckt werden. Dies gelingt aber nur dann, wenn Beteiligung ernst gemeint ist, die Ergebnisse Einfluss auf Verwaltungshandeln und politische Entscheidungen haben und auf Augenhöhe kommuniziert wird.

Gute Bürgerbeteiligung ...

  • ist transparent!
  • ist inklusiv!
  • ist repräsentativ!
  • hat klare Ziele!
  • ist zeitlich hinreichend geplant!
  • benötigt ausreichend Ressourcen!
  • lebt von vielfältigen Methoden!
  • ist unabhängig!
  • gelingt durch gute Kommunikation!
  • ist rechenschaftspflichtig!
  • ist kontinuierlich!
  • erfordert ständiges Lernen!
  • muss evaluiert werden!

Weitere Informationen

 

I

In Deutschland gibt es zwei Arten oder Formen der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger:

  • formelle Beteiligung
  • informelle Beteiligung

Unter formeller Beteiligung versteht man gesetzlich verankerte Verfahren, bspw. Einwohnerversammlungen, Beteiligung im Rahmen der Bauleitplanung, Landes- und Regionalplanung, Raumordnungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Unter informeller Beteiligung versteht man dialogorientierte und beratende Verfahren zur Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürger in politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse, wie bspw. BürgerräteBürgerbudgets oder die Erstellung von Leitlinien für Bürgerbeteiligung. Diese Verfahren sind nicht gesetzlich geregelt.

Weitere Informationen

Informelle Beteiligungsvorhaben in ganz Sachsen

K

Kinder sind von den Entscheidungen durch Politik und Verwaltung in aller Regel mit betroffen. Sie können aber nicht im Rahmen demokratischer Wahl mitbestimmen, wer diese Entscheidungen für sie trifft. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, diese Zielgruppe im Rahmen gut geplanter und durchgeführter Beteiligungsverfahren an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Doch was sind entscheidende Gelingensbedingungen für gute Kinderbeteiligung und wie aktiviert und motiviert man die junge Zielgruppe, am Ball zu bleiben? Wo liegen die Unterschiede zur Beteiligung von Erwachsenen und welche Methoden sind besonders gut geeignet? Weitere Informationen

J

Jugendliche sind von den Entscheidungen durch Politik und Verwaltung in aller Regel mit betroffen. Sie können aber nicht im Rahmen demokratischer Wahl mitbestimmen, wer diese Entscheidungen für sie trifft. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, diese Zielgruppe im Rahmen gut geplanter und durchgeführter Beteiligungsverfahren an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Doch was sind entscheidende Gelingensbedingungen für gute Jugendbeteiligung und wie aktiviert und motiviert man die junge Zielgruppe, am Ball zu bleiben? Wo liegen die Unterschiede zur Beteiligung von Erwachsenen und welche Methoden sind besonders gut geeignet? Weitere Informationen

L

Die Erarbeitung von Leitlinien

© SMJusDEG

Leitlinien sind Regelwerke, mit denen gewisse Qualitätsstandards und Verfahrensabläufe für Bürgerbeteiligung in einer Kommune festgelegt werden und in deren Rahmen sich künftige Verfahren bewegen sollen. Damit die Leitlinien für Bürgerbeteiligung auch von allen zukünftigen Akteurinnen und Akteuren akzeptiert werden, sollten diese im Rahmen eines partizipativen Prozesses und unter Mitwirkung aller Beteiligten erarbeitet werden. Denn fehlende Zustimmung oder Unklarheiten im Regelwerk können dazu führen, dass sich Bürgerinnen und Bürger, aber auch Akteurinnen und Akteure in Politik und Verwaltung später nicht an den angebotenen Beteiligungsverfahren in einer Kommune beteiligen.

Ablauf

Phase 1 - Auftaktphase

Nachdem der politische Entschluss durch den Stadt- oder Gemeinderat getroffen wurde,  Leitlinien für Bürgerbeteiligung zu etablieren, wird ein Organisationsteam festgelegt. In einer Auftaktveranstaltung wird das Vorhaben samt Zielstellung und vorgesehenem Zeitplan dargelegt. Aus den zu beteiligenden Gruppen (Kommune, Zivilgesellschaft, Bürgerschaft, Wirtschaft u.v.m.) werden Vertreterinnen und Vertreter benannt - eine sogenannte Arbeitsgruppe wird gebildet. Die Arbeitsgruppe hat die Aufgabe, Vorschläge für das zukünftige Regelwerk zu erarbeiten und den Prozess gemeinsam voranzutreiben.

Phase 2 - Arbeitsphase

In der Arbeitsphase trifft sich die Arbeitsgruppe zu regelmäßigen Sitzungen, um Vorschläge für die Leitlinien zu erarbeiten. Im Rahmen von öffentlichen Veranstaltung werden interessierte Bürgerinnen und Bürger informiert und am Prozess beteiligt. Im Anschluss arbeitet die Arbeitsgruppe die Rückmeldung der Öffentlichkeit in das zukünftige Regelwerk mit ein.

Phase 3 - Finalisierungsphase

Nach Beendigung der Arbeitsphase berät der Stadt- oder Gemeinderat über das vorgeschlagene Regelwerk. Ist dieses beschlossen, wird es veröffentlicht und dient nun als Grundlage für zukünftige Beteiligungsverfahren in der Gemeinde.

Jedes Beteiligungsverfahren benötigt verlässliche Regeln, die von allen Beteiligten akzeptiert und beachtet werden. Damit diese Regeln nicht bei jedem Verfahren neu verhandelt werden müssen, können qualitative und prozessuale Standards für Beteiligungsverfahren entwickelt werden. Dies kann unter anderem durch selbstverpflichtende Leitlinien erfolgen.

Leitlinien

  • sind lose »Spielregeln« für Beteiligungsverfahren
  • sind »freiwillige« Rechtsverpflichtungen und damit nicht rechtsverbindlich
  • erheben keinen Rechtsanspruch etwa auf die Verwendung von Entscheidungen aus den Beteiligungsverfahren
  • müssen das geltende Kommunalrecht beachten
  • regeln den Gesamtprozess eines Beteiligungsverfahrens
  • geben keine Methoden, Formate oder Zielgruppen vor

Weiterführende Informationen

M

Es gibt zahlreiche Methoden für Bürgerbeteiligung, die bei der Vorbereitung, Umsetzung und Nachbereitung von Beteiligungsvorhaben  eingesetzt werden können. Vornehmlich geht es beim Einsatz der Methoden darum, dass Bürgerschaft, Verwaltung und Politik gemeinsam in einen politischen Diskurs kommen. Beispiele für häufig angewendete Methoden sind: aktivierende Befragung, Bürgerhaushalt, Bürgerrat, Bürgerwerkstatt, Zukunftskonferenz u.v.m.

Jede Methode hat ihre eigenen Vor- und Nachteile und eignet sich für unterschiedliche Situationen. Deswegen ist es wichtig, zu Beginn eines jeden Beteiligungsprozesses die richtige Methode für den jeweiligen Beteiligungsgegenstand und die angesprochene Zielgruppe auszuwählen.

O

Die Online-Bürgerbeteiligung oder auch E-Partizipation umfasst alle internetbasierten Möglichkeiten der politischen Partizipation. Online-Bürgerbeteiligung ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, sich über die reine Information hinaus auch aktiv an politischen Entscheidungen einzubringen und die Demokratie mitzugestalten.  Online-Bürgerbeteiligung kann zeitlich und örtlich ungebunden stattfinden und viele Menschen erreichen. So kann Kommunikation und Austausch zwischen Politik und Bürger/innen, aber ebenso der Austausch zwischen den Bürger/innen, ermöglicht werden.

Weitere Informationen

P

Im Rahmen einer Planungswerkstatt können Bürgerinnen und Bürger ihre Interessen und Ideen in einen Planungsprozess mit einbringen. In der Regel ist die Planungswerkstatt ein ein- oder mehrtägiger, moderierter Workshop, bei dem Bürgerinnen und Bürger von Expertinnen und Experten bzw. professionellen Planerinnen und Planern unterstützt werden. Das Verfahren unterliegt keinen formalen Regelungen und kann entsprechend an die Anforderungen der Planungsaufgabe angepasst werden.

Anhand eines konkreten Umgebungsmodells können Einwohnerinnen und Einwohner ihre Interessen, Ideen und Probleme, aber auch konkrete Lösungsvorschläge diskutieren und damit ihr Viertel mit gestalten. Planning for real wird an bestimmten Orten wie etwa Quartieren, Marktplätzen oder Parks eingesetzt und gilt als besonders niedrigschwelliges und damit barrierearmes Beteiligungsverfahren. Mit dem Verfahren werden die Bedürfnisse, Potenziale und Defizite der Einwohnerschaft erfasst, die anschließend in die Entwicklung eines gemeinsamen Aktionsplans einfließen.

Q

Durch Bürgerbeteiligung soll das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie gestärkt, aber auch die Verantwortung der Menschen für ihre Stadt, ihre Region und ihr Land geweckt werden. Dies gelingt aber nur dann, wenn Beteiligung ernst gemeint ist, die Ergebnisse Einfluss auf Verwaltungshandeln und politische Entscheidungen haben und auf Augenhöhe kommuniziert wird.

Gute Bürgerbeteiligung ...

  • ist transparent!
  • ist inklusiv!
  • ist repräsentativ!
  • hat klare Ziele!
  • ist zeitlich hinreichend geplant!
  • benötigt ausreichend Ressourcen!
  • lebt von vielfältigen Methoden!
  • ist unabhängig!
  • gelingt durch gute Kommunikation!
  • ist rechenschaftspflichtig!
  • ist kontinuierlich!
  • erfordert ständiges Lernen!
  • muss evaluiert werden!

Weitere Informationen

R

In einer repräsentativen Demokratie werden politische Entscheidungen nicht unmittelbar durch das Volk getroffen. Stattdessen wählt das Volk Repräsentanten. 

siehe auch: Direkte Demokratie

S

Verschiedene Stufenmodelle

In der Fachwelt existieren ganz unterschiedlich detaillierte Stufenmodelle für die informelle Bürgerbeteiligung. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beispielsweise unterscheidet zwischen drei Stufen: Information der Bürger über anstehende Entscheidungen - Beratung anstehender Entscheidungen mit Bürgern - Mitentscheidung der Bürger.

Die von Sherry R. Arnstein entwickelte »Partizipationsleiter« benennt neun Beteiligungsstufen, die sich durch die Intensität der Beteiligung voneinander abgrenzen. Speziell unterscheidet Arnstein die Verfahren bezüglich Umfang, Reichweite und Qualität: Manipulation - Therapie - Anhörung - Konsultation - Beschwichtigung - Bürgermacht - Partnerschaft - Machtübertragung - Bürgerkontrolle.

Im Folgenden sollen fünf Beteiligungsstufen näher vorgestellt werden.

 

© SMJusDEG | Runze & Casper

W

Das World Café ist eine Diskussions- und Austauschmethode im Großgruppen-Format. In einer lockeren Café-Atmosphäre kommen interessierte Personen zu einem vorher festgelegten Thema, das für die Teilnehmenden von besonderer Relevanz ist, miteinander ins Gespräch. Ziel ist es, gemeinsam zu lernen, zuzuhören und Ideen zu verknüpfen und weiterzuentwickeln, wobei die »Weisheit der Vielen« genutzt werden soll. 

Z

Ziel einer Zukunftswerkstatt ist es, möglichst viele Menschen in die Entscheidungsfindung und Problemlösung gesellschaftlicher Herausforderungen einzubeziehen. Die Beteiligten werden dabei als Expertinnen und Experten ihres Lebensumfelds und ihrer Region begriffen. 

Eine Zukunftswerkstatt kann ein- oder mehrtägig mit etwa 20 bis 30 Teilnehmenden durchgeführt werden. Mithilfe verschiedener Methoden sollen sich die Teilnehmenden ihre eigenen Positionen und Wünsche zu einem bestimmten Thema bewusst machen und miteinander Lösungsansätze erarbeiten. 

Damit dies gelingt, müssen zu beginn und in geeigneter Weise: 

  • Methode,
  • Zielsetzung,
  • Spielregeln,
  • Diskussionsthema

erläutert werden. Die Werkstatt selbst wird durch Moderierende begleitet. 

Eine Zukunftswerkstatt ist grundsätzlich in drei Hauptphasen unterteilt: Kritik-, Phantasie- und Verwirklichungsphase. 

Die Methode der Zufallsauswahl (auch: Losverfahren) wurde bereits im alten Griechenland verwendet, um politische Ämter zu besetzen. Heutzutage wird oft auf die Zufallsauswahl zurückgegriffen, wenn es um die Auswahl von Bürgerinnen und Bürgern für die Teilnahme an einem Bürgerrat geht.

Gestaffelte Zufallsauswahl

Bei der gestaffelten Zufallsauswahl (auch: geschichtetes Verfahren) werden die Mitglieder eines Bürgerrats nach zwei Kriterien ausgewählt: einerseits nach dem Prinzip der Zufallsauswahl und andererseits nach dem Prinzip der repräsentativen Zusammensetzung.

Schritt 1: Zunächst wird eine repräsentative Stichprobe erstellt. An alle diese Bürgerinnen und Bürger werden Einladungsschreiben mit Informationen zum Bürgerrat und der Bitte verschickt, sich bei Interesse an einer Teilnahme zurückzumelden. Da die Rückmeldequote mit durchschnittlich rund 10 Prozent recht gering ist, muss die Stichprobe hinreichend groß sein.

Schritt 2: Damit die Verteilung soziodemografischer Merkmale im Bürgerrat möglichst genau der Verteilung in der Gemeinde oder dem Land entspricht, in der bzw. dem der Bürgerrat stattfinden soll, werden aus den Rückmeldungen per Zufallsverfahren etwa 15 (Gemeinde) bis 100 (bundesweiter Bürgerrat) Personen und einige Nachrückerinnen und Nachrücker zusammengestellt, die einen möglichst repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Merkmale, die oft bei der repräsentativen Auswahl berücksichtigt werden sind: Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, die Größe des Wohnorts und Migrationsgeschichte.

Das Zufallsverfahren (Schritt 1) soll sicherstellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger ab einem bestimmten Alter ausgelost werden können und damit die theoretische Möglichkeit zur Teilnahme haben. Durch die repräsentative Zusammensetzung des Bürgerrats (Schritt 2) entsteht quasi eine Gemeinde bzw. ein Deutschland im Miniaturformat.

Vorteile Nachteile
  • geringer Personalaufwand
  • Rückmeldequote sehr gering

 

  • Stichprobe muss unverhältnismässig groß sein

 

  • datenschutzrechliche Bedenken

Die Verankerung der »gestaffelten Zufallsauswahl« in der Beteiligungssatzung einer Gemeinde oder einer entsprechenden Projektsatzung ist anzuraten.

Aufsuchendes Losverfahren

Beim »aufsuchenden Verfahren« werden diejenigen Menschen, die sich auf die schriftliche Einladung nicht zurückgemeldet haben, persönlich aufgesucht.

Schritt 1: Zunächst wird eine repräsentative Stichprobe erstellt, die allerdings nur so groß ist, wie die Anzahl der avisierten Teilnehmenden. Sollte es Absagen geben, wird nachgelost. An die gelosten Bürgerinnen und Bürger werden Einladungsschreiben mit Informationen zum Bürgerrat und der Bitte verschickt, sich bei Interesse an einer Teilnahme zurückzumelden.

Schritt 2: Menschen, die sich auf die schriftliche Einladung nicht zurückmelden, werden persönlich kontaktiert und zur Teilnahme motiviert bzw. ermutigt. Zusätzlich zum aufsuchenden Losverfahren können unterrepräsentierte Gruppen direkt aufgesucht werden (z.B. Obdachlose, Menschen mit Behinderung).

Vorteile Nachteile
  • Die Rückmeldequote kann erhöht und somit die Stichprobe der Zufallsauswahl reduziert werden.
  • hoher Personalaufwand
  • Datensparsamere Variante des Losverfahrens, da weniger Personen eingeladen werden und nur bei Absagen nachgelost wird
  • datenschutzrechliche Bedenken
  • Auch wenn durch das »Aufsuchen« keine Zusage erreicht wird, kann wichtiges Wissen über die Gründe zur Nicht-Teilnahme generiert werden und in die Verbesserung zukünftiger Beteiligungsverfahren einfließen.

 

Die Verankerung des »aufsuchenden Verfahrens« in der Beteiligungssatzung einer Gemeinde oder einer entsprechenden Projektsatzung ist anzuraten.

Die Zukunftskonferenz ist eine Beteiligungsmethode für Erwachsene. Im Rahmen einer Zukunftskonferenz kommen etwa 60 bis 80 repräsentativ ausgewählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Gemeinde oder eines Landes zusammen, um Visionen für die gemeinsame Zukunft zu entwickeln. Ziel ist es, aus den erdachten Visionen eine realisierbare Strategie zu formulieren und daraus letztendlich konkrete Handlungspläne abzuleiten.

Damit eine Zukunftskonferenz erfolgreich ist und die formulierte Zukunftsstrategie alle Interessen in einer Gemeinde oder eines Landes widerspiegelt, müssen die Teilnehmenden aus unterschiedlichen gesellschaftlichen, sozialen und politischen Bereichen kommen.

Sollte es Differenzen zwischen den teilnehmenden Gruppen geben, so ist die Zukunftskonferenz ein adäquates Mittel: Denn der Fokus liegt auf der Zukunft, nicht auf den gegenwärtigen Problemen. Deshalb wird zu Beginn der Konferenz in der Regel nach Gemeinsamkeiten gesucht. 

Der typische Ablauf einer Zukunftskonferenz sieht wie folgt aus:

  • Blick zurück in die Vergangenheit
  • Einigung auf Idealszenario der Zukunft
  • ableiten von Zielen
  • Ableiten von Maßnahmen

Die Zukunftskonferenz kann u. a. für die (Weiter-)Entwicklung von

  • Projektideen
  • Organisationen
  • Zukunftsstrategien
  • Netzwerken

eingesetzt werden.

 

Praxisbeispiel:

Europäische Kommission: Konferenz zur Zukunft Europas

 

 

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